–> NACHTRAG 04.02.2012 (siehe unten)
–> NACHTRAG 06.02.2012 (siehe unten)
–> NACHTRAG 07.02.2012 (siehe unten)
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„Wenn einer etwas kaufen will, dann kann er ‚was erzählen!“
Waren es früher die Reisen, nach denen man ausreichenden und spannenden Gesprächsstoff auf Lager hatte, sind es heute vermehrt die Erlebnisse beim Einkaufen, sei es nun im stationären oder aber im Versandhandel, die einem selbst und bisweilen auch den Zuhörern die Haare zu Berge stehen lassen .
Und nachdem mein markantestes Beispiel (mit dem Versandhandel, nachzulesen hier) bereits einige Zeit zurück liegt, dachte sich das Schicksal wohl, dass es an der Zeit wäre, auch mal negative Erfahrungen mit dem stationären Handel zu machen.
Dabei fing alles ganz harmlos an:
Ich brauchte eine Tasche der Marke „Maxpedition“, suchte im Internet, wurde fündig bei der Firma ASMC GmbH und war kurz davor, auf den „Bestellen-Button“ zu klicken, als mir auffiel, dass die Firma ja auch 3 Läden im Saarland betreibt: Zwei in Saarbrücken, einen in Heiligenwald.
Ich entschied mich für den in Heiligenwald und plante gestern deswegen einen mittleren Umweg auf der Heimfahrt ein, um noch vor Landeschluss
Öffnungszeiten
Mo – Fr 10:00 – 19:00 Uhr
Sa 10:00 – 17:00 Uhr
mein Geld loszuwerden und gegen die gewünschte Ware zu tauschen.
1. Versuch (Dienstag, 31.01.2012)
Direkt nach Ankunft fiel mir auf, dass trotz vorgerückter Stunde (es war 18:45 Uhr) der Laden mit geschätzten 50 Kunden noch rappelvoll war – zumindest vor der Theke. Hinter der Theke herrschte dagegen vergleichsweise gähnende Leere (gesehene 2 Personen) und nach kurzer Beobachtung der Kaufabwicklung war klar: Das wird dauern! Und zwar richtig lange!
Leider drängte die Zeit bei mir und ich fasste nach gefühlten 5 Minuten den Entschluss, es am Folgetag erneut zu probieren. Neues Spiel, neues Glück – und dieses Mal würde die Zeit auch nicht drängen …
2. Versuch (Mittwoch, 01.02.2012)
18:25 Uhr – Ankunft (gefühlte 55 Personen vor der Theke)
18:30 Uhr – Na dann warten wir mal
18:45 Uhr – Ich warte immer noch, mittlerweile habe ich aber einen Sitzplatz
18:55 Uhr – Es lichtet sich ein wenig, Hoffnung kommt auf
19:10 Uhr – Endlich bin ich an der Theke
19:11 Uhr – Wieso streiten sich die Typen nebendran eigentlich mit der Verkäuferin?
19:12 Uhr – Jetzt weiß ich es!
Die benachbarten Kunden stritten sich nicht etwa über den Preis oder die Ware, sondern über die Tatsache, dass jetzt, wo sie nun endlich an der Reihe wären, nix mehr verkauft wird! Schließlich sei es schon nach 19:00 Uhr und somit Zeit, den Laden zu schließen!
Ich zweifelte kurz an meiner Hörfähigkeit, war mir ziemlich sicher, die Angelegenheit wohl missverstanden zu haben, aber als mir der Verkäufer, bei dem ich nun eigentlich an der Reihe gewesen wäre, exakt das gleiche mitteilte, war ich erstmal geplättet !
So richtig glauben wollte ich es dennoch nicht, zeigte ihm brav meine 3 vorher bereits notierten Artikelnummern – aber das Einzige, was er mir sagte war: „Sie können das jetzt gerne bei mir bestellen, dann wird das morgen an Sie verschickt“.
Häh? Geht’s noch ?
Ich verfahre doch nicht meinen Sprit auf dem Weg zu dem Laden, opfere meine Freizeit und stelle mich 47 Minuten in die Schlange, nur um dann eine Bestellung aufzugeben, die ich bei dem gleichen Laden im Internet vermutlich in weniger als 2 Minuten von zuhause aus hätte tätigen können !
Nach so viel Dreistigkeit fehlten mir einfach die Worte! Zudem konnte ich auch absolut kein Fehlverhalten auf meiner Seite feststellen: Ich war pünklich vor Ort, stellte mich brav in die Schlange, wartete, bis ich an der Reihe war – um dann zu hören, dass ich nun ganz einfach nicht mehr an der Reihe bin!
Beim Verlassen des Geschäfts schaute ich sicherheitshalber noch mal meine Uhr, ob wir auch wirklich das Jahr 2012 schreiben. War da nicht was mit dem Einzelhandel, der sich andauernd über zu wenig Umsatz beklagt? War da nicht erst kürzlich die Insolvenz von Schlecker? Bei wie vielen Firmen wird gerade über einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen nachgedacht, weil das Geschäft nicht läuft?
In Heiligenwald scheint dagegen, passend zum Namen, noch heil(ig)e Welt zu sein. Glückwunsch, Herr Borkhard, die Schilder mit dem „Wegen Reichtum geschlossen“ sieht man immer seltener ! Dann kann ich mein Geld ja ohne schlechtes Gewissen bei den Mitbewerbern ausgeben, kein Problem.
Oh, und bevor ich es vergesse:
19:15 Uhr – Entschluss gefasst!
Bei der Firma ASMC GmbH werde ich zukünftig ganz sicher noch nicht mal mehr einen einzigen Cent lassen ! Weder stationär noch im Versandhandel! Und auch ganz sicher keinen Fuß mehr in einen der Läden setzen!
Allenfalls könnte die Firma für mich noch als Dienstleister taugen, wenn ich mal dringend irgendwelche Artikel zum Anschauen benötige und mich danach ganz eng an § 312d BGB orientieren will. Es trifft ja augenscheinlich keinen Armen …
–> der Entschluss wurde revidiert (siehe Nachtrag)
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Nachtrag vom 04.02.2012
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Es hat sich etwas getan in der Sache, womit ich nicht gerechnet hätte: Der Geschäftsführer der ASMC Gmbh, Heinz Borkhard, hat sich in einer Mail persönlich bei mir für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und mir die Hintergründe zu der genannten Vorgehensweise seiner Angestellten erklärt. Zudem will er mir eine Entschädigung für den ganzen Frust zukommen lassen. Hut ab, kann ich da nur sagen !
Bezüglich der angebotenen Entschädigung habe ich ihm auch schon einen Vorschlag unterbreitet, wie aus den vertanen 47 Minuten Wartezeit am Ende doch noch eine gute Sache, im wahrsten Sinne des Wortes, werden kann. Mehr dazu, wenn ich die Antwort habe.
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Nachtrag vom 06.02.2012
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Gestern kam die Antwort von Herrn Borkhard – sie war positiv ! Aber der Reihe nach, hier zuerst seine erste Mail zu der ganzen Sache:
Sehr geehrter Herr XXX,
vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich mit Interesse gelesen habe.
Aufgrund Ihres Hinweises habe ich mir von meinen Verkäufern die Situation schildern lassen und möchte hierzu folgende Stellungnahme abgeben.
Zuerst entschuldige ich mich bei Ihnen für die entstandenen Unannehmlichkeiten und bedauere sehr, dass es zweimal hintereinander zu den von Ihnen beschriebenen Situationen gekommen ist.
Es muss vermutlich an den Temperaturen gelegen haben, dass wir solch einen Kundenansturm an diesen Tagen erlebten.
Normalerweise ist es in unserem Lagerverkauf ab 18 Uhr relativ ruhig, zumindest was den Standort Heiligenwald betrifft.
Dementsprechend ist auch die Besetzung dort ausgelegt, d.h. normalerweise reichen 2 Personen für die Zeit ab 18 Uhr vollkommen aus.
Bei erhöhter Kundenfrequenz vor dieser Zeit kann das Verkaufspersonal durch Helfer aus unserem Servicecenter kurzfristig aufgestockt werden, so dass normalerweise auch ein „Kundenansturm“ bewältigt werden kann.
Danach ist der Verkauf jedoch nur noch mit der Stammbesatzung belegt und muss bis Ladenschluß alleine klar kommen.
Das klappt im Großen und Ganzen auch gut, von diversen Ausnahmen abgesehen wie z.B. vor einer Übung der Saarlandbrigade.
Dass es an zwei Tagen hintereinander zu solch einer Häufung der Kundenfrequenz kommt ist absolut außergewöhnlich. Wir können uns das nur mit dem Temperatureinbruch erklären.
Zum Verständnis für unser Verkaufspersonal möchte ich noch anführen, dass diese nach Schließung des Ladenlokals noch die Abrechnungen erledigen müssen und nach einem anstrengendem Tag, an dem sie viele Kilometer laufen mussten (aufgrund unseres Verkaufssystems) einfach Ruhe brauchen und deshalb die „Reißleine“ gezogen haben mit dem Angebot, den nicht bedienten Kunden die Artikel kostenlos am nächsten Tag zu verschicken.
Ihre Verärgerung kann ich voll und ganz verstehen, zumal Sie ja nicht nur Ihre Zeit verloren haben, sondern auch noch Fahrtkosten hatten. Daher möchte ich Ihnen zur Kompensation vorschlagen Sie erhalten von uns eine Kundenkarte Gold mit 20 % Rabatt für ein Jahr kostenlos.
Ich hoffe, dass Sie meine persönliche Entschuldigung akzeptieren und würde mich über eine positive Antwort von Ihnen sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Borkhard
Geschäftsleitung
Wie bereits weiter oben erwähnt: Damit hätte ich nicht gerechnet!
Sinn und Zweck meines Artikels war allerdings nicht, aus der Angelegenheit einen persönlichen Vorteil zu ziehen – und so kam die gute Sache ins Spiel. Die aktuell sehr frostigen Temperaturen gaben dann den Ausschlag zu meinem konkreten Plan.
Während ich mich über 47 Minuten Warten in gut geheizten Räumen beklage, geht es anderen Menschen zur gleichen Zeit ganz bestimmt deutlich schlechter! Also unterbreitete ich ihm folgenden Vorschlag:
Ich werde von *meinem Geld* und *seinem Rabatt* 2 warme Fleecedecken kaufen, um diese dann der Notschlafstelle für Obdachlose in Saarbrücken zu spenden. Und, das fügte ich noch hinzu: Er dürfe natürlich gerne noch aus seiner eigenen Tasche 2 Decken obendrauf legen .
Daraufhin kam erneut eine positive Mail von ihm :
… vielen Dank für Ihre positive Nachricht.
Ihrem Vorschlag stimme ich voll zu und möchte mich an Ihrer Aktion mit weiteren 3 Decken beteiligen, so dass es insgesamt 5 Stück wären. Und dann würde ich auch noch ein paar Handwärmer dazutun.
Heute war ich erneut in der Filiale in Heiligenwald, um das große Päckchen in Empfang zu nehmen. Leider war Herr Borkhard noch in einem Meeting, aber die Angestellten waren perfekt instruiert, so dass die Sache ruckzuck über die Bühne gehen konnte. Erwähnenswert ist noch, dass sich ein Arbeitskollege von mir, nachdem ich ihm von der Geschichte erzählt hatte, spontan dazu entschlossen hatte, nochmal 50 EUR draufzulegen – letztendlich waren es also insgesamt 10 Decken und 10 Handwärmer . Und das sah dann so aus:
Die Abholung
Hätte mir noch vor einigen Tagen jemand gesagt, dass alles mal so enden würde, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Entgegen meiner ursprünglichen Aussage, dort ganz sicher kein Geld mehr auszugeben, habe ich genau das heute getan. Das gute Gefühl gab es übrigens gratis dazu !
Morgen geht es also mit vollen Taschen zur Notschlafstelle in Saarbrücken – und damit wird es wohl das letzte Update geben …
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Nachtrag vom 07.02.2012
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Heute war es soweit, die große Übergabe stand an . Um die Mittagszeit bin ich mit dem genannten Kollegen, der die 50,- EUR draufgepackt hatte, zu der Notschlafstelle nach Saarbrücken-Malstatt gefahren.
Der „Herbergsvater“ war leider krankheitsbedingt nicht vor Ort, stattdessen aber seine Lebensgefährtin, die sich an seiner Stelle sehr über die kleine Spende gefreut hat.
Die Übergabe
Nach ein wenig Smalltalk über die Arbeit in dieser Einrichtung, über ihre „Kunden“ und die Modalitäten, wie und wem dort geholfen werden kann, machten wir uns auch schon wieder auf den Rückweg – den Rückweg in unsere „geordnete Wohlstandswelt“, die sich gehörig von der dortigen Welt unterscheidet .
Ganz klar, dass man mit ein paar Decken nicht die Welt retten und dafür sorgen kann, dass es allen bedürftigen Menschen ansatzweise gut geht – aber es war ganz sicher nichts Schlechtes, was aus dem Ärger und den 47 Minuten Wartezeit vor rund einer Woche entstanden ist .
In diesem Sinne: Danke Herr Borkhard, danke Michael !