…as every year!
Wieviel Wahrheit doch in diesem mittlerweile stark abgedroschenen Satz aus der jedes Jahrs aufs Neue aus der Versenkung geholten Uralt-Comedy „Dinner for one“ steckt, merkt man immer dann, wenn der Dezember sich dem Ende neigt und in sämtlichen Werbeblättchen der Discounter die besten Rakentsortimente mit „großer Effektvielfalt, coolem Sound und schrillen Tönen“ (und natürlich mit Steighöhen von jenseits der 100 Meter) auf der Titelseite die sonst üblichen Konserven verdrängen:
Bald ist (wieder) Silvester
Dabei hat der Countdown auf diesen Tag bereits lange vor der Feuerwerk-Offerte begonnen, kann man sich doch spätestens ab November die zahlreichen Formate im Fernsehen antun, die herausragende Ereignisse, Menschen, (Tiere, Moderatoren, Bilder, Peinlichkeiten, …) des aktuellen – sprich: vergangenen Jahres – präsentieren und dabei so tun, als würde in den verbleibenden Tagen zwischen Sendetermin und 31. Dezember ohnehin nichts Aufregendes mehr passieren.
Eine ähnliche „Zeitverschiebung“ gibt es ja bereits seit längerem bei der Weihnachtszeit, die Jahr für Jahr durch das Verbarrikadieren der Kaufhausgänge mit Paletten von Lebkuchen, Pfeffernüssen und Christstollenfrüher früher eingeläutet wird. Wenn die Feiertage schon so kurz sind, dann soll sich der Verbraucher wenigstens lange darauf freuen müssen.
Sehr zu empfehlen in diesem Zusammenhang auch das folgende Werk aus Stenkelfeld:
Weihnachten im Oktober Weihnachtsbeleuchtung
Kommen wir aber wieder zurück zu Silvester bzw. zu den zahlreichen Möglichkeiten, diesen Tag mehr oder weniger gebührend zu verbringen:
Variante 1
Für die weniger Kreativen unter uns bieten sich die vielen Angebot kommerzieller Anbieter geradezu an: Man zahlt einen Betrag X für Eintritt, Buffet und das sagenhafte Indoorfeuerwerk und darf sich anschließend mit vielen Gleichgesinnten, die auch alle nicht so recht wussten, was man an diesem Tag Sinnvolles treiben könnte, die Nacht und den Morgen (mit dem traditionellen Katerfrühstück) um die Ohren schlagen. Traditionell wird kurz vor Mitternacht das Lied „The final countdown“ gespielt und der nahende Jahreswechsel lautstark rückwärts angezählt. Die organisierte Fröhlichkeit ist in jedem Winkel zu spüren und würde man nicht zufällig auf die Datumsanzeige der Armbanduhr schauen, könnte durchaus auch Rosenmontag sein, nur ohne Verkleidung. Mal abgesehen von An- und Abreise, die alkoholbedingt eher durch andere Verkehrsmittel als das eigene Auto erfolgen werden, braucht man sich um nichts zu kümmern. Den ganzen Dreck kann man getrost liegen, den modrigen Geruch nach durchzechter Nacht ruhig stehen lassen und das neue Jahr beginnt, wie die anderen Jahre zuvor auch, mit einem tollen Kater. Für manche gesellt sich zu dem tierischen Wesen auch noch ein menschliches hinzu, welches im Licht der Mittagssonne einen Großteil der gestern noch vorhandenen Attraktivität eingebüßt und für dessen Existenz in der heimischen Schlafstatt man partout keine Erklärung parat hat.
Variante 2
Die nächste Variante ähnelt stark der ersten, mit dem Unterschied, dass man nicht das Angebot eines kommerziellen Anbieters wahrnimmt, sondern das guter Freunde: Die klassische „Garagenparty“ bei Bekannten. Auch hier braucht man sich um nichts zu kümmern, wenngleich es der Anstand gebietet, beim Feiern nicht allzu sehr aufs Gas zu treten, will man nicht im Freundeskreis für den Rest des Jahres Gesprächsstoff Nummer eins und für die Zerstörung des Gastgeber-Inventars verantwortlich sein. Dann hätte man nicht nur seinen Ruf weg, sondern möglicherweise auch beim nächsten Jahreswechsel eine Feier-Alternative weniger. Man reißt sich also einigermaßen am Riemen, bringt brav ein paar Knallkörper für die mitternächtliche Sause auf dem Bürgersteig mit und achtet penibel darauf, wem man in den Ausschnitt oder auf den Hintern schaut, schließlich könnte einem das Minuspunkte beim eigenen Partner, sofern vorhanden, oder beim besten Freund oder Nachbarn einbringen. Apropos Feuerwerk: Wenig hilfreich ist es auch, mit dem Anzünden erst dann zu starten, wenn die eigene Funkuhr 00:00 Uhr schlägt, sondern dann, wenn alle anderen auch damit anfangen. Eine Diskussion, ob es denn nun schon „Zwölf“ ist oder nicht, führt unweigerlich zu Antipathie-Punkten bei den Umstehenden, auch wenn man selbst natürlich recht hat. Auch eine kurze astronomische Abhandlung über den Umstand, dass wir alle eigentlich zu spät feiern und das neue Jahr bereits um 11:55 Uhr MEZ, also vormittags, beginnt, bringt einem keine Freunde. Nicht in dieser Nacht! Zu der ganzen Terminproblematik gibt es auch einen passenden Schwank aus Stenkelfeld:
Kettenreaktion
Die Heimreise erfolgt in der Regel per Taxi oder zu Fuß, das neue Jahr beginnt ähnlich wie bei der ersten Variante. Eventuell, wenn man Pech hat und nett sein wollte, ist des Nachmittags noch Aufräumen und Reste trinken beim Nachbarn angesagt.
Variante 2a:
Ähnliche wie Variante 2, allerdings mit dem Unterschied, dass man selbst als Eventausrichter fungiert. Die Feierlichkeit an sich unterscheidet sich nicht, eventuell hat man aber im Nachgang (viel)mehr mit dem Müll und der Renovierung am Hut, als man sich je hätte erträumen können.
Variante 3:
Die einfachste aller Möglichkeiten: Zuhause bleiben, ohne Freunde, Bekannte oder sonstige Fremde. Dazu dann, um der alljährlichen Tradition gerecht zu werden, sich den üblichen Ritualen in Form von immer gleichem Essen (Raclette, Fondue, …), gepaart mit dem allseits beliebten Bleigießen („… Oh, ein Tumor …“) und dem Konsum einiger TV-Silvershows hingeben und um Mitternacht noch eine kleine Discounter-Batterie im Innenhof oder am Straßenrand abfeuern. Danach noch brav die Hände der Nachbarn schütteln, rundherum „Prosit Neujahr“ wünschen und sich dann wieder verziehen. Dem Vorteil – wenig Aufwand, kaum Kosten, keine Sauerei – steht allerdings auch ein gravierender Nachteil entgegen: Dem ständigen Zweifel nämlich, ob man nicht nächstes Jahr mal was Anderes machen sollte…
Variante 4:
Einfach ignorieren! So tun, als sei Silvester ein Tag wie jeder andere (was er ja genau genommen auch ist) und sämtliche Ritual-Zelebrationen ablehnen. Natürlich wird einem spätestens um Mitternacht (Kanonen)schlagartig bewusst, dass andere Menschen die Sache mit Silvester anders sehen und sich für eine der anderen Varianten entschieden habe, aber mit dem Lautstärkeregler an der heimischen Hifi-Anlage lassen sich die Störgeräusche leicht ausblenden. Und man läuft noch nicht einmal Gefahr, sich dem Vorwurf der Ruhestörung auszusetzen. Und wenn man sich dann noch am nächsten Tag den hingestreckten Händen zum einfallslosen „Prosit-Neujahrsgruß“ erfolgreich mit den Worten „Danke, aber unser Meerschweinchen ist gestern Nacht gestorben“ entziehen kann, dann hat man es, zumindest für die nächsten 364 Tage, geschafft, halbwegs normal den Zähler bei den Ypsilons der Form „dd.mm.yyyy“ um eins hochzusetzen. Auf der ISS ist übrigens Silvester ein Arbeitstag wie jeder andere: Es gibt nichts Besonderes zu essen, keinen Sekt, keine Böller. In ein paar Jahren wird das wohl die Variante 5 werden.
Und das Schöne ist: Man hat wieder fast ein ganzes Jahr Zeit, sich für eine der Varianten beim nächsten Jahreswechsel zu entscheiden. Denn diese werden, egal wie hoch das Y mittlerweile steht, wieder die gleichen sein…